Weinverkostung, davon hat ja jeder schon mal gehört. Aber Tomatenverkostung? Und Karottenverkostung? Sowas kann passieren, wenn man einen Kurs zur Samengärtnerei besucht und sich vor einem Buffet mit rohen Karotten wiederfindet. Gelbe, orangene, violette, viele verschiende Sorten liegen ausgebreitet vor uns und von jeder zermalmen wir ein kleines Stückchen zwischen den Zähnen.
Jede schmeckt anders, selbst von der gleichen Sorte. Seifig, wässrig, trocken, aromatisch oder fad… ich wusste gar nicht, welche Nuancen in einer Karotte stecken. Sie sehen auch alle anders aus, mal knollig, mal langgestreckt, mal spitz, mal stumpf. Das ist eben so, wenn man samenfeste Sorten anbaut und eine Vielfalt an Charakter erntet. Im Gegensatz zur überzüchteten Industriesaat (F1-Hybride), die nur gleichförmige, gesichtslose Ware liefert.
Warum wir die Karotten verkosten und genau auf ihre Eigenschaften schauen, erklärt uns Annette Holländer im Garten des Lebens. Wer seine eigenen Pflanzen züchten will, sucht sich natürlich die aus, die am besten schmecken und optisch dem entsprechen, was er sich vorstellt. Selbst züchten kann dann interessant sein, wenn man alte, vergessene Sorten anbauen und erhalten will. Oder, wenn man als zukünftige Selbstversorger das Geld fürs Saatgut sparen will. Hat man sich die besten Karotten ausgesucht, muss man sie über Winter bei den richtigen Bedingungen einlagern und im Frühjahr wieder aussetzen. Sie bilden erst im zweiten Jahr ihre Blütenstände – und damit ihre Samen. Im dritten Jahr hat man dann erst die neuen Karotten. Eigentlich ganz schön kompliziert und es braucht viel Platz zum Anbau. Dann vielleicht lieber mit Tomaten anfangen. Da kann man die Frucht noch essen, wenn man die Samen herausgenommen hat und im nächsten Jahr gleich die erste, eigene Generation aussähen.
Wie genau geht das jetzt mit den Tomatensamen? Die sind von einem Glibberzeug umgeben, das man gar nicht abbekommt. Man muss es erst ein bis zwei Tage trocknen lassen, bis diese keimhemmende Glibberschicht zu verrotten anfängt. Dann kann man die Samen waschen und wieder auf Backpapier trocknen.
Bei Paprika gibt es einen Trick, wie man die schlechten von den guten Samen unterscheidet. In einem Wasserglas schwimmen die „blinden“, schlechten Samen an der Oberfläche.
Und wie gehen wir jetzt eigentlich vor, wenn wir von einer Pflanze die Samen nehmen wollen? Angenehm wäre ja, einfach schön eine Tomate oder Bohne oder Paprika nach der anderen zu essen und die letzte, die übrig bleibt, für die Samenernte zu verwenden. Pustekuchen, so geht das nicht, lerne ich von Annette. Man nimmt nicht die Früchte, die als letztes reif werden, sonst würde man ja die späte Reifezeit als Eigenschaft der neuen Pflanze mitzüchten. Logisch, irgendwie. Man nimmt auch nicht die erste Frucht, denn die ist vielleicht nicht die schönste. Man stürzt sich auf die Beste und Schönste aus den ersten paar reifen Früchten und markiert sie mit einem Faden oder ähnlichem. Dann muss man warten, bis die Frucht fast schon reifer als reif ist und die Samen gut ausgebildet sind. Und natürlich hoffen, dass sie zu diesem Zeitpunkt nicht doch gegessen ist, versehentlich, versteht sich.
Wir laufen durch den Garten von Annette und Hans, der so einige Raritäten zu bieten hat, wie besondere Sorten von Zucchinis, Auberginen und Tomaten.
Danach widmen wir uns den Bohnen. Die sind, wie die Tomate, Selbstbefruchter. Andere Pflanzen brauchen Insekten zum befruchten, wie die Karotte, wieder andere nutzen den Wind, wie der Mais. Entsprechend muss man aufpassen, was in der Nähe des eigenen Gartens so wächst, damit sich keine fremden Pflanzen in die eigene Zuchtlinie einkreuzen. Mein Kopf ist bereits voll von interessanten Eindrücken und Informationen. Fasziniert wiege ich die Bohnensamen in den Händen. Besonders gefällt mir die dicke, braune Puffbohne, bzw. Saubohne – wegen ihres Eiweißgehalts das Soja unserer Omas sozusagen. Innerlich lächelnd erfinde ich (statt Tofu-Burger) den ersten Saubohnen-Burger und die erste Puffmilch. O jeh, ich glaube es ist Zeit, heim zu gehen und die letzten Sonnenstrahlen im eigenen Gemüsegarten zu genießen, bevor mein Hirn noch weitere Ideen ausspuckt.
15. September 2014 um 12:10
Liebe Kirsten,
deine Nachlese zum Seminar ist wieder ganz toll geworden!
Vielen herzlichen Dank, Annette
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15. September 2014 um 12:27
Danke, liebe Annette, es war ja auch ein schönes Seminar!
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19. November 2016 um 10:40
Liebe Kirsten,
ein schöner Artikel mit tollen Bildern der verschiedenen Sorten!
Er macht mir Lust auf ein solches Seminar im kommenden Jahr.
Den Trick mit den Paprikasamen kannte ich bislang noch nicht und werde ihn im kommenden Jahr übernehmen.
Ich habe vor einiger Zeit mal eine Gegenüberstellung zum Thema woher kann man Saatgut beziehen gemacht (http://gourmetbauer.de/samenbeschaffung/). Weitere Einträge beschäftigen sich mit der Vermehrung von Grünkohl, Radieschen und Wurzelpetersilie, die folgenden Teile schreibe ich gerade, sie folgen im Laufe des Winters.
Viele Grüße!
Frank.
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