Wenn man die Klette reden hören könnte, würde man eine große, beschützende Freundin kennenlernen. Sie würde einem heftig auf die Schulter klopfen und loslegen: „Hey Du! Ja Du. Ich weiß, ich weiß. Du denkst, ich bin grob und ungehobelt, wachse überall und bin zu nichts zu gebrauchen. Ha! Lass mich Dir was erzählen. Ich mach die Arbeit, die kein anderer machen will. Du kannst auf mich runterschauen und doch, in Wahrheit bin ich mächtig. Ich helf Dir und schmeiß all den giftigen Müll aus Deinem Körper. So tief wie meine Wurzel wächst, so tief ist auch meine Wirkung. Deine vergrabene Negativität mach ich fertig und befreie Dich davon. Deine Leber, Deine Nieren, Dein Lymphsystem – die werden mich lieben. Und Du? Genau. Du wirst sehen, wie krass schön und fett stark ich bin. Halt, halt – Du brauchst jetzt echt nicht niederknien. Komm wieder hoch und gib mir Fünf, Alte!“
Die Große Klette (lat. Arctium lappa, engl. Burdock) wächst am Wegesrand, auf Schuttplätzen, an Bachufern und beeindruckt durch ihre mächtige Statur. Im ersten Jahr wachsen die Blätter und die Pfahlwurzel gräbt sich tief ins Erdreich hinein. Im zweiten Jahr entwickeln sich die langen Stängel und der kugelige Blütenkorb mit den typischen, hackigen Hüllblättern, die sich an Tierfell und Kleidung festkrallen.
Ich habe zwei Fotos aus dem wunderbaren Bestimmungsbuch „Essbare Wildpflanzen“ von S.G. Fleischhauer, J. Guthmann und R. Spiegelberger übernommen, da ich momentan keine Klette zum Fotografieren vor der Haustüre habe. Das erspart mir auch das mühselige Ausgraben. Ich gehe einfach in den Bio-Asia-Markt in Berkeley, Kalifornien, wo die Wurzel der Klette unter dem Japanischen Namen „Gobo“ verkauft wird.
Mein Plan ist: Feinschmecker-Wildmedizin selbst herstellen, also Klettenwurzeln einlegen
- Klettenwurzeln kleinschneiden und 5 bis 10 Minuten in Wasser kochen
- Klettenwurzeln abseihen und in Gläser legen
- Die Gläser auffüllen mit: 1/3 Bio-Apfelessig, 1/3 Bio-Sojasauce oder Bio-Tamari, 1/3 des Kochsuds
Die Wurzel riecht erdig, wie vermutlich alle Wurzeln. Dann ist da noch eine unverwechselbar klettige Duftkomponente. Während des Kochens in Wasser zieht der Klettendampf in meine Nase und gibt mir eine Ahnung von der erdenden Kraft, die in dieser besonderen Wurzel steckt.
- Die österreichische Kräuterfrau Maria Treben empfiehlt eine Klettenwurzel-Waschung für volles, schönes Haar und einen Tee aus den Klettenblättern zur Kreislauf- und Herz-Stärkung. (siehe „Meine Heilpflanzen„)
- Die amerikanische „Green Witch“ Susun Weed preist die Klette als Kräftigungsmittel für das Drüsen- und Immunsystem, für die Leber, die Nieren, das Blut, die Lungen und die Nerven. Die Klette bereitet den (gesunden) Boden für tiefgreifende Transformation. (siehe „Healing Wise„)
- Siegrid Hirsch und Felix Grünberger empfehlen die Klette nach dem Einsatz von Antibiotika zum Wiederaufbau der Bakterienkultur im Darm (siehe „Die Kräuter in meinem Garten„)
Als ich die Klettenwurzeln mit Soja-Sauce, Apfelessig und dem Wurzelsud übergossen habe, kann ich es kaum erwarten, davon zu probieren. Einen Tag muss es mindestens durchziehen, besser drei Tage. Danach soll man es schnell aufbrauchen, sonst schmeckt es zu salzig. Da fällt mir auf: Keine Klettenwurzel ist mehr übrig. Mist. Die soll doch böse Geister vertreiben und ins Haar geflochten sogar den Teufel in die Flucht schlagen, sagt die Mythologie.
Am nächsten Tag probiere ich endlich die eingelegte Klettenwurzel und glaube mich im salzig-würzigen Schlaraffenland. Eine ganze Glasfüllung ist weg wie nichts und ich verspüre den Drang, immer weiter zu essen, obwohl ich schon längst satt bin.
Mein Blick fällt auf den übrig gebliebenen Kochsud, den ich nicht wegschmeißen wollte. Nun ja. Er hat sich über Nacht von hellbraun zu blaugrün gewandelt. Ist der jetzt für die Haare gut oder vertreibt der den Teufel? Hm. Soll er in Frieden auf dem Kompost ruhen.
27. November 2015 um 9:30
Super , gehe nachher gleich los und schau mal , ob ich klettenwurzeltee im Basic kaufen kann , denn selbst machen …… Ohje , schaff ich nicht 😥 !!! Dein Beitrag ist wieder ganz , ganz toll geschrieben ! Danke für den Tip Gruß und Kuss deine schwiegermama aus old Germany
Von meinem iPhone gesendet
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27. November 2015 um 21:15
Lb.Kirsten,
Du entwickelst dich ja zu einer NATURÄRZTIN.Bei uns am Necker lassen sich im Sommer viele hohe Klettenpflanzen finden.Früher hat man die Wurzeln mit Öl angesetzt und als HAARWUCHSMITTEL auf dem Kopf angewandt.Ich lese gerne Deine wissenschaftl. Ausführungen ,da sie mich an mein Studium (Pharmazie) vor vielen Jahren erinnern.
Herzliche Grüsse aus dem Neckartal!
P.s.Ich bin auf Deine nächsten botanischen Gedanken gespannt !
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27. November 2015 um 21:21
Dankeschön für Deine lieben Worte! Schön, dass Du Dich hier meldest. Gerne wäre ich am Neckar und würde Klettenwurzeln mit Dir / Euch ausgraben 🙂 Herzliche Grüße zurück
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27. November 2015 um 21:23
da bin ich ja mal gespannt, ob es Klettenwurzeltee zu kaufen gibt! Wenn nicht schicke ich gerne etwas 🙂
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29. Februar 2016 um 23:07
Hallo Kirsten,
in unserem Schulgarten haben sich im vergangenen Jahr einige Pflaum-Kletten angesiedelt. Da werde ich wohl im nächsten Sommer mal ausprobieren, ob dieses Rezept damit gelingt.
Neugierige Grüße aus dem Garten 😀
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1. März 2016 um 2:52
Hallo Karo-Tina, da bin ich gespannt! Gib Bescheid, wie es war, wenn Du magst. Ich hab noch nie von Pflaum-Kletten gehört und weiß nicht, ob die schmecken wie die Große Klette und die gleiche Wirkung haben. Wie sehen die denn aus? liebe Grüße, Kirsten
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1. März 2016 um 6:22
Hallo Kirsten,
ich hab gerade gemerkt, dass ich da einen Schreibfehler fabriziert habe. Die Dinger heißen Flaum-Kletten oder auch Kleine Klette. 😀
Orthografische Grüße aus dem Garten 🙂
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1. März 2016 um 7:09
ah, Flaum-Klette, auch ein schöner Name, kannte ich auch nicht. Aber Kleine Klette sagt mir was 🙂 Die schmeckt bestimmt!
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4. Juni 2016 um 9:36
Hallo Kirsten!
Ich liebe Kletten und ich habe sie jedes Jahr in meinem Garten. Einmal hab ich versucht so eine Wurzel auszugraben, im 2. Jahr im Frühling. Gegraben und gegraben. Zum Schluß bin ich flach am Bauch gelegen, mein Arm war bis zur Schulter im Grabloch und das Ende der mächtigen Wurzel war immer noch nicht erreicht. Letztendlich ist sie mir dann leider an der Spitze abgebrochen.
Ganz anders verhält es sich, wenn frau Kletten im 2. Jahr im Herbst oder noch besser im 3. Frühling, wenn die wunderbaren Klettenkugeln da sind, entfernen will. Mit einer Hand kannst Du die Pflanze herausziehen. Sie hat all ihre Kraft, ihre Energie, Ihr Leben in diese igeligen Klettenbällchen gegeben.Die Wurzel ist nur noch ein kleines, sehr interessant geformtes Gebilde. Eigentlich magisch. Ich hab soo eine Hochachtung vor Frau Klette!!
Mit den Bällchen kann frau wunderbare selbsthaftende Kränze, Herzen, Kugeln…machen . Ganz ohen Hilfsmittel! Nur Handschuhe empfehle ich, die Haken hinterlassen winzige Risse in der Haut.
Herzliche Grüße und Segen aus Salzburg
Nelly
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4. Juni 2016 um 18:52
Hallo Nelly,
danke für die schöne Geschichte! Das kann ich mir lebhaft vorstellen mit der Wurzel 🙂 Frau Klette ist wunderbar!
Grüne Grüße von Kirsten
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