traum selbstversorger

Wie werde ich Selbstversorger in kleinen Schritten

Als uns die Natur aus dem Alltag riss

8 Kommentare

Manche Menschen bereiten sich ja auf den Ernstfall vor, wenn alles zusammen bricht und wirklich nichts mehr funktioniert. Wir gehören nicht dazu. Wir haben weder Vorräte gehortet noch Wasserkanister in der Garage gestapelt oder einen Notstrom-Generator im Keller stehen. Tja. Dann kam der Sturm, der Erdrutsch  und eine neue Erfahrung: Wie ist es so, wenn für ein paar Tage nichts mehr geht?

Eine Woche heftigen Regens sorgt in Kalifornien für Aufregung. Seid zehn Jahren habe es so etwas nicht mehr gegeben, erzählen uns die Nachbarn. Für uns Deutsche sieht die Menge Wasser, die da vom Himmel kommt, recht unspektakulär aus. Es regnet halt.

Es ist Sonntag. Wir machen uns einen gemütlichen Abend und schauen eine DVD. Plötzlich wird der Bildschirm schwarz und das Haus dunkel. Hatten wir schon öfter. Das wird sicher gleich wieder. Unsere Handys zeigen eine Nachricht von der Nachbarschafts-App an: Ein Erdrutsch blockiert die Zufahrt zu unserem Gebiet und hat den Strommast weggerissen. Uns wird schlagartig klar: Kein Spaß – Das wird eben nicht gleich wieder.

Kein Licht, kein Kühlschrank, kein Internet jenseits des Handys. Gut, damit können wir umgehen. Oh! Die Gasheizung funktioniert nicht ohne Strom. Mist! Die Pumpe für unseren Brunnen läuft nicht. Ähm, was macht der Herd? Ja, unseren Gasherd können wir mit dem Feuerzeug anmachen.

Wir machen eine Bestandsaufnahme:

  • Wir waren gestern einkaufen und haben genug zu Essen für einige Tage.
  • Wasser gibt es in begrenztem Umfang, da unser Tank auf einem Hügel steht und die Schwerkraft das wertvolle Nass in unsere Leitungen treibt.
  • Wir können kochen.
  • Wir besitzen eine Öllampe, Kerzen und Taschenlampen.
  • Wir haben eine Batterie mit Inverter (Spannungsumwandler von 12 Volt  Gleichstrom der Batterie auf 110 Volt Wechselstrom der US-Steckdose)

Nur: Unser Haus ist kalt im kalifornischen Winter mit um die 10 Grad, der Inhalt eines warmen Kühlschranks hält nicht ewig und… wie kommen wir ohne Straße hier raus?

Zehn Tage Ausnahmezustand

Wir wohnen seid drei Monaten in einem großen Waldgebiet mit ungefähr sechzig Nachbarn, die sich weitläufig verteilen und deren Häuser von der Straße aus wenig zu sehen sind. Es gibt vier Notfall-Wege durch den Wald, die wir noch nie gefahren sind. Zwei davon sind völlig vermatscht, eine ist von einem umgestürzten Baum versperrt und nur eine ist befahrbar. Sie führt uns auf geschlängeltem, engem und wasserumspültem Weg in die nächste Stadt.

Wir wollen einen Generator kaufen, um unsere Heizung betreiben zu können. Überall sind solche Dinge jetzt ausverkauft. Zwei Städte weiter finden wir einen letzten Generator im Ladenregal.

Das Unwetter betrifft viele Menschen, mit Überschwemmungen und noch mehr Erdrutschen. Autobahnen sind gesperrt, Brücken sind überflutet, Farmen am Flussufer werden evakuiert. In den Bergen fließen reißende Bäche wo zuvor nur vertrockneter Waldboden war.

Wir sind froh, als wir wieder zu Hause sind und unsere Notfall-Anlage aufbauen können. Der Generator vor der Eingangstür versorgt unsere Gasheizung mit Strom und lädt gleichzeitig eine Batterie. Mit der können wir später den Kühlschrank ein paar Stunden laufen lassen und unsere Handys aufladen. Die Wetter-App, die Nachbarschafts-App und die Notfall-Informations-App wollen wir nicht mehr missen – obwohl die permanenten Katastrophen-Meldungen ganz schön nerven können.

Die nächsten Tage sind wir mit Lebens-, Komfort- und Informationsstand erhaltenden Maßnahmen beschäftigt. Generator und Heizung für zwei Stunden anschmeißen. Da diese Wärme nicht hält, lange Unterhosen und Pullis schichtenweise anziehen. Geschirr spülen mit Tropfen von Wasser, Batterie an den Kühlschrank anschließen, sparsam kochen. Weiter geht es mit Wetterbericht, Straßenbericht und Überschwemmungsstand-Abfrage. Generator aus, Benzin nachfüllen, Kabel umstecken, am Tisch sitzend in den Schlafsack steigen. Dazwischen machen wir uns Sorgen. Bleibt der Notfall-Weg offen?

Der Regen hört nicht auf. Die Aufräumarbeiten an unserer Straße gehen nicht weiter. Ein zweiter Erdrutsch gesellt sich zum Ersten. Ein Sonnentag erlöst uns aus dem Stress. Der Strommast kann repariert werden.

Kaum haben wir Generator und Batterie abgestellt und die volle Kraft unserer Heizung genossen, fällt uns auf: Der Gastank ist fast leer! Also Heizung wieder aus.

Die Gaslieferung kann nicht kommen, da unsere Straße nur zum Teil geräumt ist und der Hang instabil bleibt. Das bedeutet: Einige Tage frieren mit Aufwärmphasen am strombetriebenen Mini-Radiator.

Am zehnten Tag im strömenden Regen um 16:43 Uhr kommt unser Gas. Wir drehen die Heizung auf, bis wir schwitzen. War es das jetzt oder passiert noch mehr?

Geschichten und Erfahrungen

Das Gute an einem Erdrutsch ist, dass man seine Nachbarn kennenlernt. Man trifft sich auf der unbefahrenen Straße und direkt am Ort des Erdrutschgeschehens.

  • Ich treffe Bob, wie er gerade schweißüberströmt einen Wasserabfluss an seiner Zufahrt frei schaufelt. Er war einmal Football-Spieler und hat seitdem einen Gehör- und Gedächtnisschaden.
  • Mark, der spindeldürre Geologe stößt zu uns und erklärt, wie die Wurzeln von Redwood-Bäumen den Boden vor Erosion schützen.
  • Doug fährt auf seinem alten Mofa vorbei. Er ist stolzer Besitzer dreier Generatoren. In seinem Haus brennt Licht!

Alle drei wohnen hier bereits mehr als 30 Jahre. Sie erzählen von 1982, als ein Erdrutsch (an anderer Stelle, wo jetzt eine hohe Betonwand den Hang abstützt – siehe Titelbild) gleich die ganze Straße weggerissen hat und sie vier Wochen von der Außenwelt abgeschnitten waren.

  • Dann gibt es noch Jean, dessen Sohn vor Jahren verschwunden ist. Der Sohn sei im Jesusgewand durch die Straßen gewandelt und schizophren gewesen, erklärt mir später eine Nachbarin.
  • Nick treffe ich am Erdrutsch. Über sein Gelände fahren wir, wenn wir den Notfall-Weg nutzen. Er erzählt, wie er 1982 für fünf Monate nicht in seinem Haus wohnen konnte, da die Nachbargemeinschaft, die jetzt den Notfall-Weg auf seinem Gelände nutzt, ihn nicht über die normale Straße hat fahren lassen. Man sieht Nick an, wie großherzig er ist und ich glaube sofort, dass sein Urgroßvater in die USA kam, weil der im ersten Weltkrieg niemanden töten wollte.

Mit unserer Vermieterin Megan und deren Freundin Melinda (auf deren Auto ein Baum fiel) laufe ich den Hügel ab, an dem der Erdrutsch passiert ist. Die Beiden wohnen schon sehr lange hier und entdecken auf dem Gelände mehrere neue, illegale Schotterstraßen im Wald. Durch eine davon zieht sich ein Riss von 20 Metern, parallel zum Abhang. Hier „wohnt“ der nächste Erdrutsch, vermuten wir Drei.

Plötzlich verstehen wir, warum der Erdrutsch ausgelöst wurde. Ausgerechnet an dieser Stelle, wo zuvor nie etwas passiert ist. Die illegalen Straßen haben den Hang instabil gemacht. Der neue Besitzer des Geländes hat Megan damit in Lebensgefahr gebracht. Genau vor ihrem Auto ist die Lawine aus Steinblöcken, Schlamm, Bäumen und Elektroleitungen herunter gekommen.

Was würden wir tun?

Da träumen wir die ganze Zeit von Selbstversorgung und ein Erdrutsch macht uns soviel Stress? Wir leben in der „zivilisierten“ Welt und es braucht zehn Tage, bis eine Straße wieder befahrbar ist? Es gibt Dauerregen im von Dürre geplagten Kalifornien? All diese Fragen machen uns klar:

Nichts ist unmöglich. „Normal“ ist ein vom Aussterben bedrohtes Wort.

Endzeitszenarien haben ja den schlechten Ruf von Verschwörungstheorien. Aber in einer Zeit des Klimawandels mit immer krasseren Wetterphänomenen hat es eher mit Gewitztheit zu tun, wenn man sich auf gewisse Eventualitäten vorbereitet – soweit man eben mag, ohne sich verrückt zu machen.

Man braucht dazu allerdings Zeit, Fantasie, finanzielle Mittel und einfach Platz. Mal angenommen wir hätten alles davon, was würden wir als erstes tun?

  • Einen mechanisch betriebenen Brunnen bauen (Wasserleitungs-Ersatz)
  • Einen Holzofen mit Kochfläche im Haus einbauen und Holzvorrat anlegen (Heizungs- und Herd-Ersatz)
  • Einen überdachten Lehmofen bauen (Ofen-Ersatz)
  • Einen Erdkeller anlegen (Kühlschrank-Ersatz)
  • Ein Pferd mit Wagen kaufen (Auto-Ersatz)
  • Eine kleine Solar-, Wind- oder Wasser-Stromanlage bauen (Steckdosen-Ersatz)
  • Ein Kompostklo bauen (Wassertoiletten-Ersatz)

Eigentlich müssten wir lediglich echte, wirkliche, totale Selbstversorger werden. Das kann leider noch dauern. Bis dahin lesen wir eben weiter bei Gleichgesinnten und Selbstversorgern nach, die schon weiter sind als wir. Beispielsweise denken wir an die netten Filmchen von Neues Irisches Tagebuch (in Deutsch) oder  Phil Rooksby in Spanien (in Englisch). Sein Handbuch ist nicht nur hilfreich und kostenlos, sondern auch nette Lektüre für Winterabende im kuschelig warmem Heim, wenn Erdrutsche und andere Unannehmlichkeiten nicht alle Aufmerksamkeit einfordern.

Habt ihr schon einmal ohne Strom, Wasser oder Heizung gelebt und wie war das für euch?

Nachtrag vom 11. Februar 2017:

Kaum hatten wir uns einmal erholt, fällt jemand (ein Idiot?) einen Baum, passgerecht auf die Stromleitung. Wieder kein Strom für einen Tag. Fast meinten wir, es nun dann wirklich überstanden zu haben, als ein zweiter und ein dritter Erdrutsch uns wieder die Lichter ausknipsen. Diesmal nur ein paar Stunden. So, jetzt aber, denken wir. Pustekuchen.

Es kommt Erdrutsch Nummer vier. Zwar haben wir schnell wieder Strom – da einer unserer Nachbarn dem Stromanbieter erklärt, welche Ersatzleitung angezapft werden kann – dafür können wir nun wieder vier Tage die Nachbarschaft nicht verlassen. Die Strasse ist vom Erdrutsch versperrt. Der Hang muss erst abtrocknen, bevor die Strasse sicher frei geräumt werden kann. Die Notstrasse ist durch umgefallene Bäume blockiert.

Immerhin ist unsere Strasse prinzipiell noch in Takt, während es dem Nachbarn oberhalb von uns gleich die ganze Zufahrt weggespült hat.

Liebe Sonne, lass dich bitte bald wieder sehen!

8 Kommentare zu “Als uns die Natur aus dem Alltag riss

  1. Puh! Das war nicht wirklich gemütlich bei euch! Wir haben glücklicherweise einen alten Ofen mit Kochfläche, auf dem wir normalerweise nurheizen, zur Not aber auch kochen könnten. Mit einem Dutch Oven geht auch backen… Aber das Wasser…! Vor zwei Jahren habe ich den Thriller „Blackout“ gelesen und mir geschworen, dass ich mich um Wasser kümmere! Ein Brunnen, der von elektrisch auf Handbetrieb „umgeschaltet“ werden kann. Man Liebster hält zwar nicht viel davon, muss er nicht, ich kümmere mich selber… Denn ohne Wasser nützt auch der beste Herd nicht viel! Ich kann mir gut vorstellen, dass ihr einen anderen Blick für vieles bekommen habt. Andererseits – wenn ich von uns ausgehe – komplette Selbstversorgung ist bei uns nicht drin – aber ich will zumindest machen, was geht…

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  2. Hallo!

    Das war sicher eine sehr schwierige Zeit! Gar nicht so einfach, ich würde verzweifeln, wenn ich keinen Strom mehr für den TK-Schrank habe. Aber ich müsste mir keine Sorgen machen, was ich esse 😉

    War es bei den Temperaturen nicht möglich das Essen im Freien zu kühlen? Ich habe sehr viel im Freien gelagert im Herbst bis Frühjahr um den Kühlschrank zu entlasten.

    Ich hoffe, es kehrt nun wirklich Alltag wieder ein. Aber ich kann mir vorstellen, dass so ein kleines bisschen Sorge bleibt…

    lg
    Maria

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    • Liebe Maria, genau, die Sorge bleibt irgendwie im Hinterkopf. Da kann man nix machen. Im Freien lagern geht bei uns noch nicht, da kein Regenschutz. Wo lagerst du Deine Sachen denn im Freien genau? Liebe Grüße und hab mich gefreut, dass Du geschrieben hast. Kirsten

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      • Hallo Kirsten!

        Ich habe ein Vordach bei meinem Eingang. Als „externen Kühlschrank“ habe ich dort ein kleines Schuhregal mit jeweils 2 Metallstäben stehen. Darauf stehen Kartons bzw. ein kleines Holzkistche, worin ich Joghurt & Co lagern kann.

        Derzeit ist es leider mit -10° und teilweise sogar weniger zu kalt. Aber meist funktioniert es wirklich sehr gut.

        Im Augenblick weiche ich auf den Keller aus. Da sind ca. +8-10°

        lg
        Maria

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  3. Trotz allem sind das die Gelegenheiten, die einem die Möglichkeit geben zu lernen und zu planen – denn so ganz grundlos sorgen Menschen nicht seit Jahr und Tag vor.
    Dass ich vom Strom und Gas unabhängig leben können wollte wusste ich spätestens, als ich in Tschechien in Alleinlage auf dem Berg wohnte und Russland Tschechien das Gas abgedreht hat. Das Haus hatte nur einen Kaminofen (also nichtmal einen richtigen Grundofen) und schnell war das Haus im tschechischen Winter auf 7,5°C abgekühlt.
    Zu den Kriterien für den Hauskauf kam dann der Punkt ‚möglichst viele Schornsteine‘ hinzu. 😉
    Möglichst weit über normal Null war auch ein Punkt auf der Liste, den manch einer vielleicht belächelt, der in Norddeutschland aber durchaus mal wieder wichtig werden kann. Ich finde es seltsam, dass Leute, die sich auf verschiedene Szenarien gedanklich vorbereiten die erfahrungsgemäss ab und an mal vorkommen, heutzutage argwöhnisch beäugt werden.
    Ich wünsche euch bestmögliche Resilienz für die Zukunft!
    LG Oli

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    • Hallo Oli, das klingt ja abenteuerlich mit Tschechien, seitdem bist Du bestimmt abgehärtet. Das würde ich nicht lange aushalten. Schornsteine… merke ich mir 🙂 Danke für den netten Zuspruch und liebe Grüße, Kirsten

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  4. Pingback: Wenn Auswandern nur so mittel ist | traum selbstversorger

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