Es gibt da jemanden, mit dem wir gerne befreundet wären: Unsere Gartenerde. Auf den ersten Blick war sie uns sympathisch und wir haben viel Zeit mit ihr verbracht. Wir haben mit ihr und dem Spaten herumgetollt, sie gewässert und umarmt, sie täglich besucht und ihr grüne Gefährten geschenkt. Doch irgendwann wurde uns klar, etwas stimmt nicht mit ihr. Sie redet nicht mit uns. Sie schickt uns Zeichen der Unzufriedenheit und des Protests, indem sie ihre ehemals grünen Gefährten braun werden und die Blätter kringeln lässt. Sie hat keine Lebensfreude und keine Energie. Unsere Gartenerde sucht sich sogar schlechte Gesellschaft und hängt mit Wesen rum, die alles nur kaputt machen wollen. Zuerst schauen wir ungläubig zu, dann kämpfen wir und beschimpfen sie. Schließlich fällt uns auf, dass wir unsere vermeintliche Freundin, die Gartenerde, gar nicht wirklich kennen. Wer ist sie und was geht in ihr vor? Wir holen uns Hilfe bei der Gartenerden-Psychologin…
Cynthia Sandberg ist die Besitzerin der Love Apple Farms in den Bergen von Santa Cruz. Bei ihr haben wir schon einmal einen Kurs zur Gartengestaltung besucht. Nun wollen wir alles wissen über „Kompost, Wurmkultur und Fruchtbarkeit der Erde“ und übersetzen ihren Fachrat in unsere eigene Psychologie. Damit folgendes Trauerspiel ein Ende hat:
Cynthia führt uns vor Augen, was eine echte Freundschaft mit unserer Gartenerde alles bewirken könnte, mal abgesehen vom Glücksgefühl in einem harmonischen Miteinander:
- Einfach viel mehr Gemüse in der gleichen Zeit
- Gesunde Pflanzen & gute Gesellschaft (Nütztlinge)
- Mehr Nährwerte im Gemüse & besserer Geschmack
- Der Boden wird nicht abgetragen & kann mehr Wasser speichern
Das ist also, was unsere Gartenerde können könnte, wenn wir ihr Inneres verstehen und fördern würden. Bei Cynthia sieht das so aus:
Gartenerden-Psychologie 1: Die Freundin muss aufgepäppelt werden
Wenn es der Gartenerde schlecht geht, kann sie sich nicht um sich selbst kümmern. Man muss das Problem an der „Wurzel“ packen und sie mit einer guten Energiemischung füttern.
Von den Hauptnährstoffen brauchen die Pflanzen am meisten, daher freut sich auch die Gartenerde über eine größere Portion. Die Spuren- oder Micro-Nährstoffe wollen eher in kleinen Dosen verabreicht werden, denn ein Zuviel kann auch Schaden anrichten.
Was Freundin Gartenerde genau an Nährstoffen braucht, kann man ihr weder ansehen noch riechen. Man muss sie professionell testen lassen.
Gartenerden-Psychologie 2: Herausfinden, ob die Freundin „sauer“ oder „ausgelaugt“ ist
Wenn die Gartenerde zu sauer (oder zu basisch) ist, kann sie einen Energieschub nicht annehmen und nicht an die Pflanzen weitergeben. Man muss ihr helfen, neutral und ausgeglichen zu werden.
Wir stellen uns das so vor: Unsere Freundin hat aus Versehen Essig getrunken oder Seife verschluckt. Das schlägt auf den Magen und nichts funktioniert mehr richtig. Zu viel Essig bedeutet: Die Hauptnährstoffe NPK können von den Pflanzen nicht mehr aufgenommen werden. Zu viel Seife sorgt für einen Mangel an Spurennährstoffen. Daher ist die Gartenerde schlecht gelaunt. Wir müssen die Lebensfreude wieder in ihr wecken.
Für Gemüse müsste das nötige Lebensfreude-pH-Niveau unserer Freundin zwischen 5 und 7 liegen. Ist sie „sauer“, braucht sie Kalk. Ist sie „ausgelaugt“ braucht sie Torf, Laub-Kompost oder Ähnliches.
Und noch einmal: Was Freundin Gartenerde genau an Ausgleich braucht, kann man ihr weder ansehen noch riechen. Man muss sie professionell testen lassen. Ist ja gut, wir haben es verstanden.
Gartenerden-Psychologie 3: Die passende Wellness für die Freundin zusammenstellen
Damit die Gartenerde gesund wird oder bleibt, braucht sie zu Beginn eine tiefgehende Massage, also das doppelte Umgraben, sowie regelmäßige Pflege durch Gründüngungs- und Kompostgeschenke.
Cynthia zeigt uns, wie guter Kompost aussieht:
Klar gönnen wir unserer Gartenerde eine Wellness-Kur, auch wenn uns selbst keine Zeit dafür bleibt.
- Die Massage ist für die Entspannung an der Wurzel. Hier gibt es ein von Cynthia empfohlenes Video, wie man doppelt umgräbt.
- Die Gründüngungsgeschenke schützen die Freundin in Anbaupausen vor Stress durch Regen oder Wind. Sie lockern den Boden, können wieder untergegraben werden und geben so Nährstoffe an die Freundin zurück.
- Die Kompostgeschenke sind für unsere Freundin wie eine Ayurveda-Kur auf Sri Lanka: Innere Reinigung, alternativmedizinische Anwendung, gesunde Ernährung.
Gartenerden-Psychologie 4: Die Freundin mit einem Tee belohnen
Die Gartenerde und ihre grünen Gefährten schätzen von Zeit zu Zeit einen guten Schluck Wurmtee als Bodenverbesserer und Dünger.
Wir bekommen von Cynthia einen Plastik-Container mit vorgebohrten Luftlöchern und Deckel, füllen etwas von ihrem Kompost hinein und nehmen eine Hand voll Würmer in Empfang. Unsere neuen Gäste sind eine Art von Regenwürmern, auch Mistwürmer oder Stinkwürmer (lat. Eisenia foetida) genannt. Sie mögen es dunkel und feucht in ihrer Box und brauchen einen schattigen Platz. Wir müssen sie mit Küchenabfällen füttern, ab und zu anfeuchten und warten.
Irgendwann können wir dann geruchslosen, feinen Wurmmist einsammeln und mit Wasser zu einem leckeren Wurmtee zubereiten. Auf unsere Gartenerde gespritzt wirkt der Wurmtee als Dünger. Auf die Blätter der Pflanzen gespritzt erhöht es deren Widerstandskraft gegen Krankheiten. Grund genug, in unserem kühlen Lagerhäuschen ein dunkles Plätzchen für die fleißigen Abfallverwerter zu reservieren.
Die Gartenerden-Psychologie 1-4 ermutigt uns, das Wellness-Programm und die Nährstoff-Therapie für unsere Freundin in die Hand zu nehmen. Wir hoffen, sie macht mit und bockt nicht. Ein halbes Kilo Erdprobe ist bereits in der Post und auf dem Weg ins Labor. Dann werden wir sehen, ob die Lebensgeister unserer Freundin wieder erwachen und wir neuen Spaß mit ihr haben. In der Zischenzeit bauen wir einen Komposthaufen – das haben wir nämlich auch in Cynthias Kurs gelernt. Aber davon ein anderes Mal…
2. September 2015 um 11:21
Wie nett dieser Bericht wieder geschrieben ist ! Wo nimmst du nur immer die Ideen her ? Wenn alle Lehrbücher so spannend geschrieben wären , gäbe es nur interessierte Schüler …. Toll , schreibe weiter !
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2. September 2015 um 17:49
Dankeschön! Das tut gut zu hören und ich freue mich.
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Pingback: Abfallzauber mit Komposthaufen | traum selbstversorger
10. September 2015 um 23:31
Noch ein Nachtrag: Unser Bodentest ist angekommen. Unsere Erde hat schon von Natur aus einen hohen Nährstoffgehalt. Wir haben aber noch Kompost untergemischt. Jetzt sprengen fast alle Werte die Werteskala. Das übermäßige Gießen in der Hitze hat anscheinend den Stickstoff schneller ausgewaschen, mit dem Ergebnis gelber Blätter bei den Pflanzen.
Positiv ist: Durch den Kompost haben wir mehr organische Materie in den Boden bekommen, also mehr Wasserspeicher und bessere Bodenstruktur.
Negativ ist: Vom Guten zu viel ist auch wieder nicht gut.
Lösung ist (vielleicht): Die Hälfte der Erde herausnehmen und nährstoffarme Erde mit Holzchips untermischen. Grüß Gott, Muskelkater!
Oder hat jemand eine Idee?
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27. Oktober 2017 um 20:25
ich vermisse den Hinweis auf Terra Preta!
Könnte ja noch kommen
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27. Oktober 2017 um 20:53
Gute Idee!
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