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Wie werde ich Selbstversorger in kleinen Schritten

Spitzwegerich, Du Freund des stichgeplagten Selbstversorgers

11 Kommentare

Wenn sich der Mückenstich auf der Stirn zu einer stattlichen Beule entwickelt, dann ist es höchste Zeit für den Spitzwegerich. Der Saft der handzerriebenen Blätter betont die Stirnbeule zwar zusätzlich mit einem schönen Grünschleier, aber es juckt und blitzt nicht mehr auf der Haut. Mit etwas Glück und noch mehr Spitzwegerich-Saft ist der Mückengraus hurtig abgeklungen und nur noch der Grünschleier übrig. Kaum ist der gedankliche Lobpreis auf den Spitzwegerich verklungen, hat man das Allerweltskraut schon wieder vergessen. Bis zum nächsten Mal, wenn man mit juckender Beule vor die Tür rennt und am Straßenrand weit und breit kein Spitzwegerich mehr wächst. Oder, wie hier in Kalifornien, er nur vertrocknete, saftlos-knusprige Blätter in die staubige Luft streckt. Nein, das wird uns nicht passieren. Wir haben das Kraut, das überall wächst, aus Heimweh in einem Blumentopf ausgesät und ernten die kräftig grünen Blätter für eine Spitzwegerich-Salbe.

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Eine Spitzwegerich-Salbe kann man in zwei einfachen Schritten und knapp zwei Stunden Zeit selbst herstellen:

  • Ein medizinisches Öl aus den Spitzwegerich-Blättern brauen
  • Das Spitzwegerich-Öl mit Bienenwachs zu einer Salbe verarbeiten

Wir beugen uns immer wieder über die Anleitung in  Rosemary Gladstar’s Buch „Medicinal Herbs. A Beginner’s Guide“ und schauen, ob wir auch alle Utensilien parat haben.

  • Einen Wasserbadtopf für die schonende Zubereitung des Öls
  • Einen gläsernen, hitzebständigen Messbecher
  • Einen Sieb
  • Eine gute Hand voll Spitzwegerich-Blätter
  • Biologisches Olivenöl
  • Bienenwachs
  • Ein paar Behälter zum Einfüllen und Aufbewahren der Salbe

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Während wir die Spitzwegerich-Blätter schnell klein schneiden, schielen wir skeptisch zum neu gekauften Wasserbadtopf (wir lernen Küchenenglisch „Double Boiler“). Er sieht aus wie einer von Omas alten Töpfen und ist aus Email (wir lernen Küchenenglisch „Granite Ware“).

Was man alles wissen muss in einer Selbstversorger-Anfänger-Küche! Alutöpfe können die medizinischen Eigenschaften von Pflanzen beeinträchtigen, Edelstahl ist anscheinend in Ordnung, Porzellan wäre das Beste… Email hat einen Stahlkern und eine Glashülle, ist somit unschädlich und günstig. Unter den Pflanzengurus hat jeder eine andere Topf-Philosophie. Wir halten uns an den Tipp einer alten Indianerin, eben Email.

Wir übergießen die geschnittenen Spitzwegerich-Blätter in unserem Oma-Doppel-Topf mit Olivenöl und lassen das Gemisch eine Stunde lauheiß ziehen. Das Wasser im unteren Topf sprudelt. Das Öl im oberen Topf zeigt ab und an einen einsamen Blopp. So ist es gut. Weder das Öl noch die heilenden Inhaltsstoffe des Spitzwegerichs sollen verkochen und damit wertlos werden.

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Zwischen rühren, riechen und warten haben wir Zeit für ein paar Herdfeuer-Geschichten über unseren neuen Freund, den Spitzwegerich. Was der alles kann, erzählt Matthew Wood in seinem Buch „Herbal Wisdom“:

Ein Motorradfahrer hatte einen Unfall auf einem Schotterweg und war übersät mit dreckigen Wunden, die kaum zu reinigen waren. Umschläge aus Spitzwegerich-Saft haben den Dreck über Nacht herausgezogen, die Wunden gereinigt und die Entzündungen abklingen lassen.

Es gibt verschiedene Pflanzen, die bei Kräuterärzten bekannt dafür sind, dass sie Spreissel, Dreck, Brocken und Infektionen aus einer Wunde ziehen. Der Hauptvertreter dieser Gruppe ist wahrscheinlich der Spitzwegerich.

Eine von Matthew Woods weiteren Geschichten zeigt, dass Spitzwegerich nicht nur bei harmlosen Mückensticken hilft, sondern auch bei Bienenstichen, Spinnen- und Schlangenbissen, indem er das Gift herauszieht. Eine Frau, die vor Jahren ihren linken Arm durch eine allergische Reaktion auf einen Bienenstich amputiert bekommen hatte, war erneut von einer Biene gestochen worden, diesmal in die rechte Hand. Sie hatte panische Angst davor, ihren einzigen Arm zu verlieren. Spitzwegerich-Umschläge auf der Einstich-Stelle haben über Nacht geholfen.

Wir ziehen den Hut vor unserem neuen Freund, auch im Falle, dass nur die Hälfte der Geschichten stimmt, werfen einen Blick auf unser Öl und seihen es ab.

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Der direkte Vergleich zum gelb scheinenden Olivenöl zeigt deutlich: Unser Spitzwegerich-Öl ist grün geworden. Das bedeutet hoffentlich, dass alle guten Inhaltsstoffe nun im Öl sind. Das auf dem Markt gekaufte Bienenwachs vom Imker der Gegend liegt bereit und riecht himmlisch nach kindlicher Geborgenheit. Die Verarbeitung zur Salbe kann beginnen.

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Das Spitzwegerich-Öl kommt wieder in den Wasserbadtopf, Wachs dazu, schmelzen lassen, rühren, fertig. Wirklich kein Hexenwerk. Auf eine Tasse Öl kommt 1/4 Tasse Wachs. Eine Tasse sind 236,5 ml. Das amerikanische Messystem macht Kopfweh, wenn man es umrechnen will. Kauft man aber die Messtassen, ist es herrlich einfach.

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Die Konsistenz der Salbe kann man prüfen, indem man einen Teelöffel der Mischung auf einen Teller gibt und für eine Minute in den Gefrierschrank stellt. Ist es zu hart, gibt man in die Mischung noch Öl dazu. Ist es zu weich, füllt man etwas mehr Wachs in die Mischung. Der Gefriertest ist wirklich ratsam, denn ist die Öl-Wachs-Mischung noch warm, ist die zukünftige Konsistenz in abgekühltem Zustand einfach nicht zu erahnen.

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Nun können die Mücken kommen, die unvermeidlichen. Möge die Schwarze Witwen Spinne, die wir letztens mit ihren Eiern aus der Scheune ins entfernte Randgebiet unserer Ranch umgesiedelt haben, auch im vermeidlichen Randgebiet bleiben und ihre Kinder uns nicht nötigen, von unserer Spitzwegerich-Salbe Gebrauch zu machen.

11 Kommentare zu “Spitzwegerich, Du Freund des stichgeplagten Selbstversorgers

  1. Guten Morgen liebe Schwiegertochter , muss dir sagen , du schreibst so nett und herzerfrischend , super ! Auch die Idee die Pflanze einzutopfen ist genial ! Schön von dir zuhören , mach weiter … Gruß und Kuss aus mannheim

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  2. Eine ganz wundervolle Pflanze. Bis jetzt habe ich immer direkt einen Brei aus den zerquetschten Blättern gemacht für die Insektenstiche. Auch beim Wandern/nach dem Wandern hat er mir schon viele Male die Blasen an den Füssen gelindert. Meistens noch während dem Wandern, habe ich ein Blatt in die Socke gegeben. So konnte ich dann Stundenlang praktisch schmerzfrei gehen. Aber die Idee einer Spitzwegerichsalbe ist einfach spitze. So hat man die heilenden Kräfte auch immer zur Hand, wenn gerade kein Spitzwegerich in der Nähe ist.

    Eine bekannte nutzt die ziehenden Kräfte des Spitzwegerichs auch erfolgreich bei Ohrenschmerzen. Einfach ein, zwei Blätter zu einer Kugeln formen und ins Ohr legen. Ich musste es bis jetzt zum Glück noch nicht ausprobieren.

    Danke für deinen Interessanten Bericht. Weiterhin viele schöne Erlebnisse in der neuen Heimat.
    Liebe Grüsse
    Esti

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    • Hallo Esti, von den Blättern in der Socke hatte ich bisher nur gelesen und noch nicht probiert. Schön zu hören, dass es klappt! Danke fürs Teilen Deiner Erfahrungen! liebe Grüße, Kirsten

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  3. Genial!! Danke 😀

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  4. Hallo Kirsten, den Spitzwegerich habe ich doch jetzt glatt „über sehen“ für meine Sammlung an Ölen! Das muss ich unbedingt noch nachholen. Habe auch gehört, dass die Blüten/ Samen wie Pilze schmecken soll! Hab es aber noch nicht ausprobiert… 😉

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  5. Liebe Kirsten
    ich hab mal den Spitzwegerichsirup gg. Husten nach Maria Treben gemacht: Man füllt eine Lage frisch gepflückte und gewaschene Spitzwegerichblätter in ein Ton oder Glasgefäss, darüber eine Lage Rohzucker und wieder eine Lage Blätter usw bis das Glas voll ist, lässt die Lagen setzen und füllt nach. Ist das Gefäss gefüllt, mit mehreren Frischhaltefolien luftdicht verschliessen und an einer geschützten Stelle im Garten vergraben. Vor dem Zuschaufeln des Lochs das Gefäss mit einem Holzbrettchen abdecken. In der gleichmässigen Erdwärme beginnt die Zucker-Spitzwegerich Mischung zu gäern. Nach 8 Wochen gräbt man das Gefäss aus, kocht den entstandenen (abgeseihten) Sirup auf und füllt ihn abgekühlt in Flaschen. Der Sirup schmeckt süss und gut und ich glaube, dass die Erdzwergli ihre Heilkraft ins Spitzwegerichheil hineingewoben haben. Lustig nur, seit ich den Sirup im Schrank hab hatte niemand im Haushalt mehr Husten – wirkt wahrscheinlich schon so ;-)!
    Spätsommerliche Grüsse
    Susanne

    Gefällt 1 Person

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