Die alte Bäuerin trägt den gefüllten Milchkübel vom Stall in ihre kleine Käserei. Ihr Kopftuch flattert im Wind und ihrer gebückten Haltung ist anzusehen, wie oft sie diesen Weg schon gegangen ist. Goldene Käseleiber reifen auf den Holzregalen. Die Bäuerin macht jeden Handgriff wie im Schlaf. Alle Utensilien des Käsemachens liegen bereit. Sie weiß, welche Bakterienkultur für welchen Käse geeignet ist. Lab ist für sie so alltäglich wie Zahnpasta. Pustekuchen. Weit und breit ist keine Bäuerin mit Käsewissen in Sicht, der wir über die Schulter schauen könnten. Wir haben keine Ahnung, auf was wir uns einlassen. Alles, was wir Anfänger in Sachen Selbstversorgung wissen, ist: Ach, so einen leckeren Käse selber machen, das wäre doch schön. Ohne Ziege oder Kuh im Garten, dafür mit Hemmschwelle und Nichtwissen im Kopf, machen wir uns mutig auf den Weg zu unserem ersten Käsekurs.
Ziegenfrischkäse Chèvre, Feta und Mozzarella stehen auf dem Programm
Während wir von dem naschen, was unserer Lehrerin Suzanne Stillwachs auf der Love Apple Farms zum Einstieg vorbereitet hat, wird uns klar: Das kleine Käse-Einmaleins ist gar nicht so einfach.
Welche Milch ist zum Käsemachen geeignet?
- Gut ist Vollmilch mit 3.5% Fett
- Gut ist Rohmilch (kann zum Abtöten von Keimen zuvor erhitzt werden)
- Nicht tauglich ist H-Milch (ultrahocherhitzt)
- ESL-Milch („Extended Shelf Life“) kann zur Not nur dann verwendet werden, wenn man ihr Calciumchlorid beimischt. Das hilft bei der Gerinnung von Eiweißen, verbessert die Gallertfestigkeit und die Labwirkung
Feta selber machen
Die Ziegenmilch kommt in den Topf und wird leicht auf 30 Grad (manche machen auch 37 Grad) erhitzt. Im Spiegel, der von der Decke hängt, können wir bis in den Topf schauen und gemütlich auf unseren Plätzen sitzen bleiben. Suzanne sprenkelt etwas mesophile Kulturen für Feta auf die Oberfläche der Milch. Diese Milchsäurebakterien geben dem Feta seinen Geschmack und sollen zwei Minuten einwirken. Danach nimmt sie den löchrigen Schöpflöffel und bewegt ihn eine Minute lang sanft von oben nach unten durch die Milch. Jetzt kommt in ein wenig Wasser aufgelöstes Lab hinzu. Diesmal zieht Suzanne den Schöpflöffel fünf Minuten durch die Milch. Danach deckt sie den Topf ab und lässt das Milch-Lab-Gemisch für eine Stunde stehen. Schon ist die Milch eingedickt und kann abgeschöpft werden.
Mit der Schöpfkelle gibt sie die festgewordene Milch, „Gallerte“ oder auch „Bruch“ genannt, auf den mit Käsetuch ausgelegten Sieb. Hier bleibt die Masse eine Stunde zum Abtropfen hängen, bevor das Käsetuch mitsamt Käse zusammengebunden und auf einen Kochlöffel über einen Topf gehängt wird.
Nach 12 Stunden Wartezeit wird die Masse recht fest. Netterweise hat Suzanne am Abend zuvor schon einen Feta vorbereitet, den wir jetzt begutachten können. Sie schneidet ihn in Scheiben, streut etwas Salz darüber und lässt ihn auf einer Sushimatte bei Zimmertemperatur für zwei bis drei Tage reifen.
Welche Fachbegriffe sollte man kennen?
- Labextrakt: Wichtiges Enzym für die Käseherstellung. Es macht die Milch dick, indem es die biochemische Umsetzung der Milch beschleunigt.
- Vegetarisches Lab: Meist mikrobielles Lab, das mit Hilfe von Schimmelpilzen in Fermentern hergestellt wird
- Tierisches Lab oder Naturlab: Die Eiweißstoffe Chymosin und Pepsin, die im Labmagen von jungen Wiederkäuern vorkommen
- Mesophile Kulturen: Milchsäurebakterien, die den Milchzucker zu Milchsäure abbauen und den Geschmack bilden. Sie sind für verschiedene Käsearten wie Frischkäse, Mozzarella, Bergkäse etc. unterschiedlich
- „Gallerte“ oder „Bruch“: Die bei der Käseherstellung festgewordene Milch
- Bruch-Molkegemisch: Schneidet man die Gallerte in Stücke entsteht eine Flüssigkeit, die Molke. Die gesamte Masse aus Molke und Gallerte nennt man Bruch-Molkegemisch
Der Ziegenfrischkäse Chèvre wird ganz ähnlich wie Feta hergestellt
Dazu braucht man die mesophile Kultur für Chèvre und lässt das Lab weg. Wir haben Freude am Verzieren unseres Ziegenfrischkäses mit frisch gepflückten Blumen und Gewürzen. Einfach Klarsichtfolie über einen kleinen Teller spannen, Blumen und Käse darauf geben, zusammenballen.
Welche Materialien braucht man?
- Einen Topf aus Edelstahl, wenn möglich einen Wasserbadtopf
- Eine Schöpfkelle mit Löchern
- Ein Streichpalette Konditorenmesser oder Bruchschneider
- Einen Sieb aus Edelstahl
- Ein Käse- oder Quarktuch
- Einen Thermometer
Highlight: Mozzarella selber machen
Ursprünglich haben die Mönche von San Lorenzo di Capua in Italien den Mozzarella mit Schafsmilch gemacht. Im 16. Jahrhundert eroberte die Milch der Wasserbüffel die Mozzarella-Welt. Heute ist Kuhmilch üblich. Wir kochen und kneten uns durch dieses Rezept:
- Knapp 4 Liter Milch im Wasserbad auf 13 Grad erhitzen.
- 1 1/2 Teelöffel Zitronensäure in 1/2 Tasse kaltem Wasser auflösen und in die Milch geben.
- Mit der Schöpfkelle eine Minute lang von oben nach unten durch die Milch wandern.
- Milch auf 32 Grad erhitzen und weiter mit der Schöpfkelle sanft bewegen.
- Bei 32 Grad von der Hitze nehmen und 1/8 Teelöffel flüssiges Lab (aufgelöst in etwas kaltem Wasser) zugeben. Währenddessen 15 Sekunden mit der Schöpfkelle die Milch von oben nach unten bewegen.
- Topf bedecken und fünf Minuten stehen lassen.
- Die fest gewordene Milch mit dem Konditorenmesser in Würfel schneiden.
- Den Topf mit den Käsewürfeln wider erhitzen auf 42 Grad und zwei bis vier Minuten kochen, bis die Masse zäh wird. Temperatur an den Würfeln messen, nicht in der Flüssigkeit, der Molke.
- Die Käsemasse mit der Schöpfkelle in einen mit Käsetuch ausgelegten Sieb geben.
- Den Topf mit der Molke auf 80 Grad erhitzen und etwas Salz in die Molke geben.
- Handschuhe anziehen und Stücke der Käsemasse mit der Schöpfkelle in die heiße Molke geben, dann mit den Händen kneten und ziehen, wieder in die heiße Molke geben, wieder kneten und ziehen, bis die gewünschte Konsistenz erreicht ist.
- Je mehr die Masse geknetet und gezogen wird, desto fester wird der Mozzarella
- Fertiges Mozzarella-Stück zum Abkühlen in kaltes Wasser und später in einer Salzlake oder in der übrigen Molke aufbewahren.
Das ist doch recht viel Arbeit für ein kleines Stückchen Mozzarella, das so schnell weggegessen ist. Wenigstens verstehen wir jetzt, warum Mozzarella ein „Brühkäse“ ist.
Keine alte Bäuerin, aber eine junge Köchin und Gärtnerin …
… hat uns das erste Käse Selbermachen-Erlebnis beschert.Mit dem eigenen Mozzarella und Blüten-Chèvre in den Taschen werfen wir einen letzen Blick in unser Käse-Klassenzimmer und auf den Profi-Demonstrations-Hängespiegel. Wir schlendern durch den prachtvollen Gemüsegarten der Love Apple Farms und träumen von den eigenen Ziegen.
Nur, als käseliebende Vegetarier ohne Trinkmilch-Verzehr und mit dem Wunsch, tierliebe Selbstversorger zu werden, die ihre Ziegen nicht durch ständige Befruchtung zwecks Milchgewinnung ausnutzen, wird die Bauernhof-Romantik etwas kompliziert. Vielleicht ist das einfach so, wenn zwischen Traum und Realität noch ein Fluß liegt.
P.S. Bei unserer Recherche zu den Fachbegriffen haben wir eine nette Seite entdeckt, mit „Käsepedia“ und Shop für Lab und mesophile Kulturen: kaese-selber.de. Wir haben dort noch nichts bestellt und können nicht beurteilen, ob die Produkte gut sind. Aber für Käse- und Milchinfos zum Stöbern macht die Seite Spaß.
12. März 2016 um 11:29
Hallo!
Ich habe vor 1 1/2 Jahren das erste Mal selbst Käse gemacht und war erstaunt, dass es mir wirklich gleich beim ersten Mal gelungen ist.
Wobei ich denke, dass Frischkäse einfacher herzustellen ist als guter lange gereifter Käse. Darüber habe ich mich bisher noch nicht getraut!
Dein Käse sieht wunderhübsch aus mit den Blüten, was für eine tolle Idee!
lg
Maria
PS: Kennst Du eigentlich die Blogparade „einfach.nachhaltig.besser.leben“? Da geht es um gründe Ideen, Selbermachen und natürlich auch das Thema Selbstversorgung. Nähere Infos kannst Du auf meinem Blog finden, falls Du Interesse hast. Bei der monatlichen Blogparade kann man seine Beiträge verlinken, es gibt auch eine FB-Gruppe dazu.
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12. März 2016 um 23:41
Hallo Maria,
ja es ist für mich immer wieder erstaunlich, dass tatsächlich fiunktioniert, was man selbst macht, zusammenbrüht oder baut 🙂 Und gereifter Käse habe ich mich auch noch nicht getraut. Falls Du es angehst, lass es mich wissen.
Danke für den Tip mit der Blogparade, sieht schön aus! lg, kirsten
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13. März 2016 um 5:31
Hallo Kirsten, der Blütenkäse ist wirklich ein Blickfang! So ein Käsekurs wäre auch mal was für mich! Ich habe schon ein paar Anläufe genommen, Käse selbst zu machen – ich krieg nie die Milch dickgelegt… 😦 . Eine Frage hätte ich dann aber noch: Wie misst du 1/8 Teelöffel ab?????
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13. März 2016 um 8:52
Oh, und hast du ne Idee woran es liegen könnte? War die Milch vielleicht nicht geeignet oder Zuwenig Lab? Ich bin ja Anfängerin 🙂
Stimmt, blöde Angabe mit dem Teelöffel. Hab mal nachgelesen:
1 TL sind 5 ml. 1 ml besteht aus etwa 20 Tropfen. Ich komme also auf 12-13 Tropfen (oder ca. 0,6 ml) für 1/8 TL. Gefällt mir auch besser so. Danke fürs Fragen!
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13. März 2016 um 15:12
Nein, leider hab ich keine Ahnung, an was es liegen könnte… Mal hab ich es mit tierischem, mal mit pflanzlichem Lab und einmal – aber das zählt nicht – mit Labkraut probiert; insgesamt zugegebenermaßen aber noch nicht oft und um herauszufinden, an was es liegt, sollte der „Versuchsaufbau“ ja ansatzweise gleich sein… 😉 Da bräuchte ich mal eine große „Käseauszeit“ um dem Problem in Ruhe auf den Grund gehen zu können…
Die Tropfenangabe ist doch etwas besser umsetzbar -danke!
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13. März 2016 um 20:30
gerade einen neuen Versuch mit Labkraut fände ich sehr spannend! lg, Kirsten
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16. März 2016 um 21:03
hallo Kirsten
ich freu mich immer über deine ausführlichen Beiträge und les sie immer gerne und nicht zuletzt hat mich dein Blog inspiriert nun auch einen Blog zu starten, bin heute online gegangen und freu mich sehr, vielleicht hast Du Lust mal reinzuschauen? http://www.teilet.com
Liebe Grüsse Susanne
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17. März 2016 um 4:14
das ist ja wunderbar, liebe Susanne! Schön sieht Dein neuer Blog aus. liebe Grüße, Kirsten
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20. April 2016 um 13:39
Die Anleitung ist echt super, da bekommt man gleich Lust es selber auszuprobieren. Toll ausgearbeitet und verständlich rüber gebracht. Deine Seite ist Top!!! Viele Grüße Sebastian
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20. April 2016 um 20:50
Dankeschön, das freut mich ganz arg! Liebe Grüße, Kirsten
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3. Dezember 2016 um 20:29
Wer Käse mit Labkraut machen will,hier wie folgt:Labkraut entweder mit einem Schnitzelklopfer leicht schlagen so das die Fasern gebrochen sind,oder das Labkraut mit einem Wiegemesser,eventl Kräuterschere kleinschneiden.Das so vorbehandelte Kraut dann in eine Reiskugel geben und diese durch die warme Milch schwenken und ziehen lassen bis die Milch reagiert.
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3. Dezember 2016 um 20:40
Dankeschön für den tollen Tipp! Liebe Grüße, Kirsten
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