Wenn man von einem Leben als Selbstversorgerin und Selbstversorger träumt, dann stellt sich schnell die Frage, wie das eigentlich ohne weitere Ausnutzung der Natur gehen soll. Lieb sein zur Natur bedeutet eben etwas ganz anderes, als man bisher so gewohnt war – vom Kompostklo ohne Wasserspülung und dem Lehmhaus mit mehr Rundungen als Ecken bis zum Teich aus recyceltem Waschwasser. Ein Permakultur Design Kurs hat den Horizont unserer kleinen Träumerwelt komplett neu verlegt. Aber da fehlt trotzdem noch was.
Als wir im Regenerative Design Institute in Bolinas, Kalifornien, ankommen, fängt uns der besondere Charme des Grundstücks an der Pazifikküste ein. Wild sieht es aus. Und doch ist irgendwo zwischen drin immer eine Nutzfläche versteckt: Gemüsebeete, selbst gebaute Stroh- und Lehmhäuschen, eine Yurte, Komposthaufen, Hühnerstall, Lagerfeuerplatz mit Holzbänken. Hier haben wir letztes Jahr 12 Wochenenden verbracht, um mehr über die Ideen der Permakultur zu lernen und auch umzusetzen. Aber was ist das eigentlich, die Permakultur?
Permakultur – Wasn das?
Ein schlauer Mensch hat sich in den 1970er Jahren die Permakultur ausgedacht und ist damit berühmt geworden. Es ist eine Bewegung daraus entstanden, wo sich alle die ansammeln, die etwas verändern wollen und dazu den Spaten in die Hand nehmen. Eigentlich geht es um die Frage „Wie kann ich ressourcenschonend mit einem Stück Land und der Welt umgehen?“ Dazu gehören beispielsweise Dinge, wie:
- Beobachtung: Wo bin ich? Wie ist der Boden? Wie ist das Klima?
- Bedarf: Was brauche ich? Wie komme ich an diese Dinge, ohne zu verschwenden?
- Analyse: Wie kann ich das, was ist mit dem, was ich brauche verbinden und dabei möglichst an Kraft und Ressourcen sparen?
- Verantwortung: Wie kann ich leben, damit auch meine Umgebung (das Land selbst, die Wildtiere, die Natur) einen Gewinn davon hat?
- Teilen: Was kann ich an meine Gemeinschaft aus Menschen zurückgeben?
Im besten Fall entsteht aus den Antworten zu all diesen Fragen ein sich selbst erhaltendes System, das allen gleichsam nutzt – vom einzelnen Menschen und der Gemeinschaft bis hin zu den Tieren und der Natur.
Ein beliebtes Prinzip dabei ist „doppelt und dreifach hält besser“. Durch die Verkettung solcher Mehrfachnutzungen einzelner Bestandteile können Zeit, Mühe und Ressourcen gespart werden.
- Ein Huhn ist eben nicht nur für Eier da. Es lockert durch sein Scharren auch den Boden auf, gibt Mist für die Düngung und frisst Pflanzenschädlinge im Garten ⇒ Zeit und Geld für die Gartenpflege und Schädlingsbekämpfung gespart.
- Die Sonnenstrahlen erwärmen nicht nur das Haus oder das Gewächshaus, sondern gleich beide zusammen und viel intensiver, wenn man das Gewächshaus an die Hauswand baut ⇒ Ressourcen doppelt genutzt, Wärme gebunkert und Pflanzen großgezogen.
- Das Kompostklo ohne Wasserspülung spart nicht nur Wasser, sondern ermöglicht auch eine Wiederverwertung des menschlichen Mists zu Gunsten von Bäumen oder Garten ⇒ Die Umwelt geschont und der Natur etwas Gutes getan.
- Die Grauwasser-Anlage zum Auffangen und Aufbereiten von Spül- und Waschmaschinenwasser tut nicht nur das Offensichtliche, nämlich Wasser sparen. Sie kann das gereinigte Wasser in ein Feuchtgebiet im Garten leiten und somit (essbare) Pflanzen bewässern sowie Fröschen, Libellen und anderen Tieren eine Heimat geben ⇒ Kein Wasser verschwendet, Pflanzen und Tiere glücklich gemacht.
Das alles lernen wir in der Yurte, die für manche auch Schlafplatz ist, im Gewächshaus, das neben Kleinpflanzen auch Ideen großzieht und im Baumschatten, der uns und den Hühnern gleichermaßen gefällt.
Nachmittags schwenken wir von der Theorie zur Praxis. Wie baut man jetzt genau ein Kompostklo oder Grauwasser-System? Wie geht das mit dem Komposthaufen? Wie baue ich mit Lehm?
Ist das jetzt die Lösung?
Klar, wenn ein Großteil der Menschen oder ganze Gemeinden und Städte sich an den Ideen der Permakultur orientieren würden, sähe die Welt anders aus. Besser. Nachhaltiger. Schöner. Und wir möchten gerne mehr darüber lernen und umsetzen.
Nur, ist das schon die Lösung für alle Umwelt-Probleme, die da vor unserer Nase liegt? Ähm. Ja. Aus offensichtlichen Gründen. Und nein. Aus versteckten Gründen.
Denn was macht ein Mensch, der ein Stück Land nutzen will gerade nicht? Er fragt das Land nicht um Erlaubnis. Und man zwingt doch seinen Willen nur dem auf, den man als minderwertiger betrachtet, oder?
Der Mensch stellt sich über die Erde. Das ist der Kern des Problems. Daran ändert sich wenig, wenn der Mensch das Gleiche auf intelligentere Art und mit tadelloser Absicht tut. Was viel ändern würde, wäre eine neue Wahrnehmung dessen, was die Erde für uns ist.
Unsere Vorfahren hatten da vor langer Zeit mal eine Idee, die tief in uns immer noch pulsiert. „Die Erde ist unsere Ur-Mutter“, flüstert es aus einem vergessenen Winkel unserer Gene. „Die Erde ist nicht selbstverständlich“, haucht es durch die Sauerstoffpartikel unseres Blutes. „Die Erde ist mehr, als wir verstehen“, hüstelt es durch die Nervenbahnen unseres Gehirns.
Oh ja. Der Mensch ist kleiner als die Erde. Es wird Zeit, dass er sich daran erinnert und den Hut zieht.
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