Wie ist das, im eigenen Gemüsegarten zu stehen und die Früchte selbstgezogener, samenfester Bio-Pflanzen in den Händen zu halten und gleich an Ort und Stelle anzuknabbern? Das Abenteuer Selbstversorger-Anfänger beginnt mit einem forschenden Gang durch die Beete. Hier und da rufen wir uns gegenseitig über Stengel, Blüten und Blätter zu „Schau mal, hier! Komm, das musst du sehen!“ und „Mensch, die ist neu, guck mal schnell!“.
Neugierig begutachten wir Beet für Beet und landen bei den Erbsen, die schon üppig den 4 m langen und 1 1/2 m hohen Zaun beranken. Wir schauen uns an und lesen gegenseitig in unseren Gesichtern die gleichen Fragen „Sind die fertig? Kann man die jetzt essen?“. Knack, die erste Hülle ist aufgebrochen und die grünen Perlen liegen saftig glänzend und prall in unseren Händen. Knack, unsere Zähne beißen sich in die kleinen Wunderkugeln der Natur, die Mund und Geist mit einer noch nie gekannten, zarten Frische berauschen. Wir können nicht aufhören zu Knabbern. Knack, die nächste Hülse springt auf. Knack, ah wie gut. Keine einzige Erbse wird es jeh bis in die Küche schaffen. Wir haben alle im Beet gegessen.
Ich höre die Gartenmuffel schon rufen „Ja, meinetwegen schmeckts halt gut, aber dafür der ganze Stress?“ Da habe ich seit neustem neben „ist doch gar kein Stress, sondern macht Spaß“ und „außerdem ists gesünder“ noch eine Antwort parat, von der ich gar nicht weiß, wie ich die erklären soll. Das kam so: An einem halbwegs miesen Tag, an dem mich die Bürokratie und meine aufgezwungenen Pflichten ihr gegenüber mächtig genervt haben, bekam ich Bauchweh – so Streßbauchweh. Intuitiv (?) gehe ich in den Gemüsegarten, pflücke einen Kohlrabi, schäle ihn schnell und esse ihn roh aus der Hand. Ein Wohlgefühl breitet sich in meinem Bauch aus und ich wundere mich, da ja eigentlich Rohkost viel Arbeit vom Magen fordert und ich von gekauftem, rohem Gemüse öfter schon Bauchweh bekommen habe. Jetzt also Wohlgefühl bei Streßbauchweh und Beruhigung der Nerven durch Eigenanbau-Roh-Kohlrabi. Das erklär mal einem.
Unser gesamter Kohlrabi-Bestand hat also auch keine Küche von innen gesehen – dafür aber die Teltower kleinen Rübchen und die Rote Beete. Beides lecker übrigens dünn gehobelt mit Öl und Gewürzen im Ofen… Ich verstehe jetzt auch besser, warum heute bei der Sortenanerkennung so sehr auf Gleichförmigkeit geachtet wird ( auch wenn ich nicht dafür bin). Die alten Rübensorten wachsen manchmal verzwickt kompliziert und das Putzen dauert länger. Dafür hat jede Rübe eine Persönlichkeit:
Dann kam die Bohnenflut. Erst wachsen sie über ihre Rankstangen hinaus und blühen. Man denkt sich nichts, weil die Blätter so mächtig und dicht werden. Man sieht ja nichts. Plötzlich merkt man, dass alles voll hängt, fast versteckt – und nimmt sich vor, nächstes Jahr die Stangen mal gescheit aufzustellen, damit man sich beim Pflücken nicht so verbiegen muss.
Zu wenig angepflanzt haben wir vom Brokkoli und vom Blumenkohl (die Herbstaussaat ist am Start und wirds hoffentlich richten). Die brauchen auch mächtig Platz und so fiel haben wir davon ja nicht. Durch unsere alten Sorten von Dreschflegel und Bingenheimer Saatgut sieht unsere Ernte etwas anders aus, als die Kollegen im Supermarkt. Die Röschen sind bei uns eher freiheitsliebend und sprießend, mit langen Stängeln – während aus dem Supermarkt nur super kompakte, feste Brokkoli- und Blumenkohl-Köpfe zu finden sind. Wir sind stolz auf unseren Brokkoli- und Blumenkohl-Spargel mit den langen Stängeln und den freiheitsliebenden Knospen.
Was gabs noch bisher? Ah ja, leckere, junge Karotten. Die haben es zwar in die Küche geschafft, aber nie in den Topf.
Danke, liebe Erde, für all die tollen Schätze! Und ganz ehrlich: Wir wären nicht mal im Sommer immer satt geworden, hätten wir nur den Garten und nicht zusätzlich den Biomarkt des Vetrauens. In die Tiefkühltruhe geschafft haben es nur die Bohnen. Die reichen für zwei Personen eine Woche lang. Sieben Tage Winter dürfen also kommen.